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#1 Eine gänzlich unerwartete Begegnung

Wir standen am Rande einer schmalen, aber gut frequentierten Ortsausgangsstraße. Unsere schweren, großen Reiserucksäcke lehnten an einem Baum. Um uns herum war einiges los: An der Tankstelle gegenüber füllten gleich mehrere Fahrzeuge ihren Benzintank wieder auf, knapp zwanzig Meter die Straße runter saßen einige Männer in einem Café und tranken Tee. Ich schaute rüber zu meiner Freundin Alex. Auch sie hatte, genau wie ich, ihren Daumen ausgestreckt und schaute erwartungsvoll auf die uns entgegenkommenden Fahrzeuge.

Hier an der Ortsausgangsstraße von Ilirska Bistrica waren es nur noch zehn Kilometer bis zur Grenze nach Kroatien und nur noch vierzig bis nach Rijeka, unserem Tagesziel. Bislang hatte unsere Reise per Anhalter erstaunlich gut geklappt: Mit vier Pkws waren wir am Vormittag von Bled, ganz im Norden Sloweniens, bis zu dieser Straße in Ilirska Bistrica gefahren. Doch was nun passieren sollte, das hätten wir vorher niemals
erwartet.

Plötzlich lernten wir Sveto kennen

Ein Mann in einem älteren Kleinwagen hielt für uns an. Wir stiegen ein. Mit dichtem, etwas krausem Haar steuerte Sveto sein Fahrzeug fortan in aller Seelenruhe um die Kurven der engen Straße. Er wirkte tiefenentspannt. Das Fenster seiner Fahrertür hatte Sveto so weit heruntergekurbelt, dass ihm ein beständiger Fahrtwind durch sein übergroßes T-Shirt blies.
Mit Alex zusammen erkunde ich zunächst Ljubljana und den Bleder See. Danach reisen wir per Anhalter entlang der kroatischen Küste südwärts. Kurz vor Rijeka haben wir so eine besonders schöne ...
Mit Alex zusammen erkunde ich zunächst Ljubljana und den Bleder See. Danach reisen wir per Anhalter entlang der kroatischen Küste südwärts. Kurz vor Rijeka haben wir so eine besonders schöne und aufregende Begegnung mit dem Museums-Besitzer Sveto.

„Vor zwanzig Jahren, da habe ich noch als Programmierer gearbeitet“, erzählte er uns nach einiger Zeit der gemeinsamen Fahrt. Und führte dann aus: „Doch das, das war mir viel zu stressig. Viele Überstunden, viel Druck. Deshalb habe ich stattdessen ein kleines Museum aufgemacht. Im Sommer, da habe ich immer zwischen 14 und 20 Uhr geöffnet. Das ist gut machbar. Und jetzt aktuell, in der Nebensaison, da öffne ich auch von 14 bis 20 Uhr – aber immer nur samstags“. Während er das sagte, freute sich Sveto selber so sehr darüber, dass er sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen konnte.

Als wir mit ihm zusammen in das Zentrum Rijekas einfuhren, da sagte Sveto plötzlich: „Ich bin morgen zufällig auch in meinem Museum; da hat sich nämlich für den Nachmittag eine Schulklasse angemeldet. Wenn ihr mögt, dann kommt doch vorher bei mir vorbei!“

Ein spannender Besuch im Peek & Poke Computer Museum

Und so spazierten Alex und ich am nächsten Vormittag durch Rijekas Zentrum, steuerten recht zielstrebig auf das Museum zu und waren tatsächlich etwas aufgeregt: „Was uns in dort wohl genau erwarten wird?“

Vor dem Museum angekommen, klopften wir an die Tür. Kurz darauf öffnete uns Sveto: „Ihr seid ja wirklich gekommen – wie schön!“, begrüßte er uns freudestrahlend. „Kommt herein!“. Wir setzten einen ersten Schritt über die Türschwelle und tauchten gleichzeitig in eine andere Welt ein: In engen Räumen mit verwinkelten Gängen stapelten sich die Regale an den Wänden bis zur Decke hinauf. Alle waren sie bis obenhin gefüllt mit Exponaten: Computer mit Diskettenlaufwerken, Schreibmaschinen, Monitore mit ausladender Röhre und antik anmutende Spielekonsolen – allesamt Relikte einer längst vergangenen Zeit. „Vor gut fünfzehn Jahren, da war das Computer-Sammeln schon lange mein großes Hobby“, erinnerte sich Sveto, während wir durch die Ausstellung liefen. Dann erzählte er weiter: „Ich wohnte damals zusammen mit meiner Frau, meinen Kindern und meiner Mutter in einem 56-Quadratmeter-Apartment… Und irgendwann dann auch mit 300 Computern! Das war schon ein wenig chaotisch. Meine Frau sagte dann: ‚Ich oder die Computer!‘ Und als Lösung ist dieses Museum entstanden“. Seine Augen funkelten vor Begeisterung, während Sveto das sagte.

Das war schon ein wenig chaotisch. Meine Frau sagte dann: ‚Ich oder die Computer!‘ Und als Lösung ist dieses Museum entstanden

Beeindruckt und fasziniert zugleich liefen Alex und ich langsam an den Regalen vorbei und schauten uns die technischen Geräte an. Viele waren noch voll funktionsfähig und einsatzbereit. Und so spielten wir zunächst einmal eine gute Viertelstunde das äußerst populäre Rennspiel Mario Kart. Danach wechselten wir zur nächsten Konsole und hüpften mit einem kleinen Super-Helden durch eine 2D-Landschaft: Eine Prinzessin mit goldenem Haar wollte aus den Fängen des Gorillas Donkey Kong befreit werden. Abschließend duellierten wir uns, beide ausgestattet mit einem Joy Stick, bei einer Partie Pong – dem Videospiel-Klassiker von Atari.

Cover Kolumne 1
Das Abschiedsgeschenk von Sveto: Eine Lego-Figur im Astronauten-Look. Hier im Einsatz in der iranischen Wüstenstadt Yazd.

Lego-Figuren als Abschiedsgeschenk

Nachdem uns Sveto jeden Winkel seines „Peek & Poke“ Computer Museums gezeigt hatte, verabschiedeten wir uns voneinander. Wir waren schon drauf und dran, das Gebäude zu verlassen. Doch kurz bevor wir zur Türe hinaus waren, rief er plötzlich: „Hey, ich habe da noch etwas für euch!“ Wir drehten uns um und da stand Sveto mit breitem Grinsen und zwei kleinen Lego-Figuren in der Hand – beide in einen Astronauten-Anzug gekleidet. „Ich wünsche euch eine gute Reise!“

Ab diesem Tag reisten diese beiden Lego-Figuren bei uns im Rucksack mit.

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